Wichtig für Klienten, welche Dienstnehmer mit Home-Office-Tätigkeit im Ausland beschäftigen.
Mit 1.7.2023 trat die „Multilaterale Rahmenvereinbarung für grenzüberschreitende Telearbeit“ (kurz; „MRV-Telearbeit“) in Kraft.
Diese erleichtert zukünftig in vielen Fällen die SV-rechtliche Abwicklung von Dienstnehmern, die innerhalb der EU/EWR jeweils einen Teil ihrer Arbeitsleistung im Dienstgeber-Sitzstaat und auch in ihrem Wohnsitzstaat, der in einem anderen EU- oder EWR-Staat liegt, ausüben.
Viele Unternehmen haben bislang eine HO-Tätigkeit im EU-/EWR-Ausland auf ein maximales Ausmaß von unter 25% (zB 1 Tag pro Woche) beschränkt.
Die MRV-Telearbeit erlaubt in bestimmten Konstellationen einen flexibleren Ansatz. Damit können Sie mit einfachen Mitteln Ihre Attraktivität als DG für im EU-Ausland ansässige DN steigern.
A) Welche Vorteile bietet die MRV-Telearbeit?
1. Die gemäß EU-Verordnung geltenden Grundregeln betreffend SV-Zuständigkeit
Innerhalb der EU- bzw. auch der EWR-Staaten regelt die EG-VO 883/2004, welches Land für die SV eines grenzüberschreitend tätigen DN zuständig ist.
In vielen Fällen übt ein DN einen Teil seiner Tätigkeit bei einem DG im Mitgliedstaat A (= DG-Sitzstaat), aber auch (zB via Telearbeit) in seinem Wohnsitzstaat B aus. Für solche sogenannten „multistate-worker-Konstellationen“ sieht die alte Rechtslage vor, dass der Wohnsitzstaat für die SV zuständig ist, sobald die DN-Tätigkeit im Wohnsitzstaat ein Arbeitsausmaß von 25% der Gesamtarbeitszeit erreicht bzw. übersteigt.
Das ist allerdings oft ein unerwünschtes Ergebnis, da der DG dann im DN-Wohnsitzstaat sich registrieren und die in diesem Land maßgeblichen SV-Beiträge berechnen und an die ausländische DN-Wohnsitzstaatsbehörde abführen muss.
2. Coronabedingte SV-Zuständigkeits-Sonderregelungen: Ende 30.6.2023
Aufgrund der Coronapandemie wurde diese Verpflichtung letztlich „ausgesetzt“; diese Erleichterung lief mit 30.6.2023 endgültig aus.
3. MRV-Telearbeit: die vorteilhaften Regeln hinsichtlich der SV-Zuständigkeiten
Die MRV-Telearbeit bietet nun ab 1.7.2023 die Möglichkeit, dass das Ausmaß der Telearbeit im Wohnsitzstaat auf bis zu 49% erhöht werden kann, ohne dass sich die SV-Zuständigkeit vom DG-Sitzstaat in den DN-Wohnsitzstaat verlagert.
Art 1 der MRV-Telearbeit definiert „grenzüberschreitende Telearbeit“ als eine Tätigkeit, die
- Ortsunabhängig ausgeübt werden kann und
- In einem anderen Mitgliedstaat oder mehreren anderen Mitgliedstaaten als dem Staat, in dem sich die Arbeitsstätte befindet, ausgeübt wird und
- Auf Informationstechnologie basiert, um mit dem Arbeitsumfeld des DG oder Interessensgruppen der Kunden verbunden zu bleiben (zB via E-Mail, Internet, Videokonferenzen) und die vom DG oder Klienten übertragenen Aufgaben zu erfüllen.
B) Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um die MRV-Telearbeit anzuwenden?
Neben der 49%-Grenze sieht die „MRV-Telearbeit“ auch noch eine Reihe weiterer Voraussetzungen vor:
- DN ist in einem EU-/EWR-Staat ansässig, der die MRV-Telearbeit unterzeichnet hat.
- DG ist einem EU-/EWR-Staat ansässig, der die MRV-Telearbeit unterzeichnet hat.
- DN übt in seinem Wohnsitzstaat keine andere Tätigkeit als Telearbeit aus.
- DN übt auch in keinem anderen Staat als dem DG-bzw. Wohnsitzstaat eine Tätigkeit aus.
Mit Stand 24.7.2023 haben folgende EU-/EWR-Staaten die MRV-Telearbeit bereits unterzeichnet:
Belgien // Deutschland // Finnland // Kroatien // Liechtenstein // Luxemburg // Malta // Niederlande // Norwegen // Österreich // Polen // Portugal // Schweden // Schweiz // Slowakei // Spanien // Tschechien
Von Österreichs Nachbarstaaten fehlen somit (noch) Ungarn, Slowenien und Italien.
C) MRV-Telearbeit: Wahlrecht oder automatischer Anwendungszwang?
Bei den Begünstigungen der MRV-Telearbeit handelt es sich um ein Wahlrecht. Die Rechtswirkungen der MRV-Telearbeit treten nur ein, wenn DG und DN dies abgestimmt, gemeinsam beantragen. Der Antrag ist im DG-Sitzstaat zu stellen und wird für einen Zeitraum von max. 3 Jahren genehmigt, kann aber darüber hinaus verlängert werden.
D) Gilt die MRV-Telearbeit auch für selbstständig tätige Personen
Nein. Selbstständig tätige Personen sind ausdrücklich vom Anwendungsbereich der „MRV-Telearbeit“ ausgenommen.
E) Verändert die MRV-Telearbeit auch die Besteuerungszuständigkeit der Dienstnehmerbezüge?
Nein. Die MRV-Telearbeit ermöglicht – wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind – ausschließlich einen Verbleib im SV-System des DG-Sitzstaats. Am Grundsatz, dass im Anwendungsbereich von DBA die auf die (ausländische) HO-Tätigkeit entfallenden Einkünfte im DN-Ansässigkeitsstaat – und nicht im DG-Sitzstaat – zu versteuern sind, ändert sich dadurch nichts.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen jederzeit sehr gerne zur Verfügung.
Ihr BHM-Team