Unter welchen Voraussetzungen Grundstücke zum Vermögen einer Gesellschaft gehören, wurde jüngst heftig diskutiert. Wenn 95 % der Anteile oder mehr an einer Holding-GmbH erworben werden, die zwar selbst keine Grundstücke besitzt, aber ihrerseits eine grunderwerbsteuerpflichtige Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile an einer Immo-GmbH verwirklicht hat, die Eigentümerin von Immobilien in Österreich ist, sollte nach der Rechtsauffassung des BMF Grunderwerbsteuerpflicht ausgelöst werden. Das (wirtschaftliche) Eigentum am Grundstück wäre „fiktiv“ zur Holding gewandert.
Im JStG 2018 stellt der Gesetzgeber klar: Grundstücke gehören nur zum Vermögen einer Personen- oder Kapitalgesellschaft, wenn sie durch einen Rechtsvorgang gem. § 1 Abs 1 oder Abs 2 GrEStG erworben wurden. Die Sondertatbestände des § 1 Abs 2a und Abs 3 GrEStG können somit keine Grundstückszugehörigkeit vermitteln. Für den Fiskus wohl die unangenehmste praktische Konsequenz daraus: Die Holding-Konstruktionen werden blühen, um die Grunderwerbsteuerbelastung zu vermindern.
1. Ausgangslage und bisherige Rechtslage
Die A-Holding GmbH hält 100 % der Anteile an einer Immo-GmbH, diese besitzt österreichische Immobilien. Die A-Holding-GmbH wird zu 98 % an einen Investor veräußert.
Nach § 1 Abs 2a GrEStG idgF liegt eine die Steuerpflicht auslösende Anteilsübertragung vor, wenn unmittelbar 95 % der Anteile an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren auf neue Gesellschafter übergehen.
Nach § 1 Abs 3 GrEStG liegt eine steuerpflichtige Anteilsvereinigung vor, wenn mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen oder an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft (Personen- oder Kapitalgesellschaft) unmittelbar „in der Hand des Erwerbers allein oder in der Hand einer Unternehmensgruppe“ vereinigt werden würden.
2. Die mittelbare Anteilsvereinigung
Das österreichische GrEStG kennt keine mittelbare Anteilsvereinigung. § 1 Abs 3 GrEStG spricht explizit nur vom „Erwerb“ bzw. der „Vereinigung“ von Anteilen. Es geht um die Übertragung von Anteilen an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein Grundstück gehört. Für die Frage des Grunderwerbsteuertatbestands stellt sich daher die entscheidende Frage, unter welchen Voraussetzungen ein inländisches Grundstück zum Vermögen einer Gesellschaft „gehört“: Fällt darunter auch die Anteilsvereinigung nach § 1 Abs 3 GrEStG?
Obwohl – nach alter und neuer Rechtslage – das zivilrechtliche Eigentum nicht alleine entscheidend ist, braucht das GrEStG doch eine Besteuerungsgrenze, wenn keine uferlosen Steuertatbestände die Folge sein sollen, die in der Praxis nicht vollziehbar sind.
Wenn keine Grenzen des Steuertatbestands festgelegt werden, könnte die entgeltliche oder unentgeltliche Anteilsübertragung einer Ur-Ur-Ur-Großmutter-Holding-Gesellschaft an ihre Ur-Ur-Ur-Enkelgesellschaft mit österreichischem Immobilienbesitz Grunderwerbsteuer auslösen, weil fingiert wird, dass der Ur-Ur-Ur-Großmutter-Holding-Gesellschaft Immobilien gehören.
Gegen diese fiskalistische Interpretation eines mittelbaren Tatbestands spricht eine Vielzahl an Argumenten. Zivilrechtlich besitzt die Holding-Gesellschaft keine Immobilien – weder direkt noch indirekt. Die Holding-Gesellschaft darf weder zivilrechtlich noch wirtschaftlich über die Liegenschaften verfügen. Verfügt die Holding-Gesellschaft über das Grundstück der Tochtergesellschaft wie ein Eigentümer, drohen dem Vorstand (Geschäftsführer) der Holding Gesellschaft im schlimmsten Fall haftungs- und strafrechtliche Konsequenzen.
Auf der anderen Seite sind die Tatbestände der Anteilsübertragung und der Anteilsvereinigung in § 1 Abs 2a GrEStG bzw. § 1 Abs 3 GrEStG Anti-Missbrauchs-Regelungen, weil auch bei der unmittelbaren Übertragung bzw. Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft nicht die Immobilien selbst, sondern eben die Anteile übertragen werden ( man spricht von einem sogenannten „Share Deal“ – im Gegensatz zum „Asset Deal“). Ohne diese Anti-Missbrauchs-Tatbestände wäre auch die unmittelbare Übertragung oder Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile an einer immobilienbesitzenden Gesellschaft nicht grunderwerbsteuerpflichtig, zumal die Grunderwerbsteuer als eine „Rechtsverkehrsteuer“ charakterisiert werden kann, die nur direkte Übertragungen von Immobilien der Besteuerung unterwerfen kann.
Rechtsverkehrssteuern knüpfen die Steuerpflicht an Rechtsgeschäfte oder an Vorgänge des Wirtschaftsverkehrs an. Die Steuer bezieht sich nicht auf die handelnde juristische Person und auch nicht auf den wirtschaftlichen Erfolg der Transaktion. Die Grunderwerbsteuer wird bei Erwerb eines Grundstücks fällig, und zwar unabhängig von sonstigen Steuern, die der Erwerber zu tragen hat, und unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis des Grunderwerbs.
Aus dem Fehlen des Wortes „mittelbar“ kann unseres Erachtens geschlossen werden, dass der mittelbare Anteilserwerb oder die mittelbare Anteilsvereinigung gerade nicht steuerbar sein soll. Ohne explizite gesetzliche Anti-Missbrauchs-Regelung ist eine Besteuerung nicht möglich.
3. Die Grundstückszugehörigkeit
§ 1 Abs 3 GrEStG spricht im Wortlaut davon, dass ein Grundstück zum Vermögen einer Gesellschaft „gehört“. Damit kann nur das zivilrechtliche (oder allenfalls auch das wirtschaftliche) Eigentum an dem Grundstück gemeint sein. Eine Holding-Gesellschaft ist jedoch weder zivilrechtlich noch wirtschaftlich Eigentümerin der Liegenschaften. Diese Funktionen hat entweder die grundstücksbesitzende Gesellschaft selbst inne oder allenfalls ein wirtschaftlicher Eigentümer, der sich mittels Sonderverträgen ein solches ausbedungen hat.
4. Folgen einer zu extensiven Auslegung
Darauf abzustellen, ob eine Holding eine – GrESt-pflichtige – Anteilsvereinigung verwirklicht hat, führte erstens zu einer uferlosen Ausdehnung der grunderwerbsteuerpflichtigen Tatbestände und ist zweitens auch aus dem Gesetzeswortlaut des GrEStG idgF nicht ableitbar. Bei einer solchen fiskalistischen Interpretation der qualifizierten Anteilsvereinigung und Anteilsübertragung käme es nämlich dazu, dass mehreren Personen oder Rechtsträgern das Grundstück aus grunderwerbsteuerlicher Sicht zugerechnet werden müsste. Für die Finanzverwaltung wäre diese Situation kaum mehr zu administrieren, da viele Personen oder Rechtsträger steuerpflichtig wären.
UE waren die Anti-Missbrauchs-Regeln des § 1 Abs 2a und Abs 3 GrEStG auch schon vor dem JStG 2018 abschließend geregelt. Der Gesetzgeber muss steuerbare Tatbestände eindeutig und klar normieren, um eine zweifelsfreie Anwendung sicherzustellen. Die mittelbare Anteilsübertragung oder Anteilsvereinigung einer Holding-Gesellschaft (ohne eigenen Liegenschaftsbesitz) konnte mE somit auch nach der Rechtslage vor dem JStG 2018 keine Grunderwerbsteuerpflicht auslösen. Die Grund-erwerbsteuer knüpft grundsätzlich an Vorgänge des rechtlichen Verkehrs an. Eine Ausnahme findet sich in § 1 Abs 3 letzter Satz GrEStG, wonach treuhändig gehaltene Anteile ausdrücklich für die Steuerschwelle von 95 % dem Treugeber zuzurechnen sind.